Fortschrittliche Landwirtschaft: Wenn aus eins und eins drei wird
In der Schweiz werden jährlich etwa 380 000 Tonnen Gemüse angebaut, während gleichzeitig rund 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet werden. Etwa 9 Prozent dieser Verschwendung entfällt auf die landwirtschaftliche Produktion. Ein wesentlicher Grund für diese Verluste im Gemüseanbau ist die Qualität des Gemüses, das oft nicht den Anforderungen der Konsumenten entspricht. Statt Ressourcen in die Ernte von minderwertigem Gemüse zu investieren, das schwer oder gar nicht vermarktet werden kann, werden diese Felder häufig ungenutzt umgepflügt. Ein Pilotbetrieb zeigt ein Beispiel für dieses Problem: Randen wurden von einem Pilz befallen, der die Knollen deformiert und für den menschlichen Konsum uninteressant macht. Daraus entstand die Idee, Freilandschweine auf dem Feld einzusetzen, die die deformierten Randen bedenkenlos fressen können. Dies reduziert die Lebensmittelverschwendung und nutzt das Gemüse dennoch sinnvoll, indem es zur Fütterung der Schweine verwendet wird. Diese Schweine liefern später Fleisch aus tiergerechter Haltung für den menschlichen Verzehr.
Während der Projektphase wurde klar, dass auch andere Gemüsebauern in der Schweiz ähnliche Probleme haben. Vielen ist jedoch nicht bewusst, dass Freilandschweine eine ideale Lösung zur Verwertung solcher Ernteausfälle darstellen. Ein Hindernis für die Bauern ist die Startinvestition: Eine Liegehütte, ein Futterautomat und ein Tränkesystem kosten mehrere tausend Franken. Da diese Ausrüstung oft nur für ein paar Monate benötigt wird, scheuen viele Bauern diese Anschaffung.
Eine Idee bewährt sich
Daher entstand die Idee, ein komplettes Set aus Liegehütte, Futterautomat und Wasserspender zur Verfügung zu stellen, das von betroffenen Landwirten genutzt werden kann. Der Pilotbetrieb soll öffentlich gemacht werden, um diese Lösung zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung bekannter und attraktiver zu machen.
Der Pilotbetrieb im Freiamt, Aargau, umfasst 140 Aren Randen, die aufgrund von Qualitätsmängeln nicht geerntet werden. Auf dieser Fläche können 70 Freilandschweine angesiedelt werden, die rund 100 Tage lang ihr Leben in der freien Natur verbringen. Die Versorgung der Schweine, inklusive Stroh, Wasser und einem schattigen Rückzugsort, übernimmt der zuständige Landwirtschaftsbetrieb.. Die Firma Silvestri unterstützt den Pilotbetrieb von der Beschaffung bis zur Vermarktung der Schweine und steht mit Rat und Tat zur Seite.
Zusätzlich wird ein Informationsplakat aufgestellt, um Fussgängern und interessierten Personen den Nutzen dieser artgerechten Haltung zu erklären. Am Ende der Mast können interessierte Einwohner Fleisch aus dieser tierfreundlichen Haltung bestellen.
Das meint der STS
Der Schweizer Tierschutz STS begrüsst dieses Projekt als sehr sinnvoll, da es gleich mehrere positive Aspekte miteinander vereint. Einerseits wird das Tierwohl gefördert, indem mehr Schweine im Freien gehalten werden, was nicht selbstverständlich ist. Zum anderen trägt das Projekt aktiv zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung bei, indem weniger minderwertiges Gemüse ungenutzt bleibt. Die Bäuerinnen und Bauern können das Projektmaterial ausleihen, was es für sie noch attraktiver macht. Zudem werden die Konsument:innen informiert und haben die Möglichkeit, Fleisch aus dieser tierfreundlicheren Haltung zu kaufen, was wiederum einen positiven Einfluss auf ihre Kaufentscheidungen haben kann.